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Der Erstleseunterricht - ein entscheidender Wegbereiter

Aktualisiert: 9. Feb. 2023

Lesen - ein großes Thema

  • Wie können die Kinder dazu gebracht werden, mehr zu lesen?

  • Wie kann die Leseleistung verbessert werden?

  • Wie kann das Textverständnis herausgefunden werden (Tests, Überprüfungen, ...)?

sind Fragen, die immer wieder gestellt werden. Das Bemühen um die Lesefertigkeit setzt aber meiner Meinung nach zu spät, viel zu spät, an.


Unsere Schulanfängerinnen und Schulanfänger


Gleich zu Schulbeginn muss die dringendste Frage gestellt werden:


Wie können wir es ganz zu Beginn, bei den ersten Schritten des LesenLERNENS, schaffen, individuell so auf den Entwicklungsstand JEDES EINZELNEN KINDES einzugehen, dass es das Lesen mit derselben Freude erlernen kann, mit der es vorher darauf gewartet hat?


Aus dem österreichischen Rahmenleseplan 2017 (www.leseplan.at):


„Die Herausforderung des Anfangsunterrichts besteht darin, dass sich Kinder in ihrem Entwicklungsalter in der ersten Klasse um mindestens drei Jahre unterscheiden.

(...) Dieser Anforderung kann eine kindzentrierte Unterrichtsgestaltung gerecht werden.

Das Einbeziehen der Lebensumstände erhöht die Motivation, sich mit Schrift auseinanderzusetzen,

und regt zum selbständigen Schreiben an. Es ist daher wichtig, dass die Lernwege

individuell gestaltet werden und auf vorhandenem Wissen aufbauen.“


In unseren Klassen haben wir

  • (immer wieder) Kinder, die bereits lesen können.

  • Kinder, die "nahe dran" sind.

    • Sie haben sich schon früh für Buchstaben interessiert.

    • Sie können bereits vielen Buchstaben ihre Laute zuordnen.

  • Kinder, die sich bisher gar nicht für Buchstaben interessiert haben.

    • Sie hatten andere Interessen.

    • Sie haben die phonologische Bewusstheit noch nicht entwickelt.


Die phonologische Bewusstheit als Voraussetzung


„Phonologische Bewusstheit bezeichnet die Fähigkeit, die Struktur der Lautsprache zu verstehen. Dies setzt beim Kind die Fähigkeit voraus, vom Sinngehalt der Sprache abzusehen und stattdessen die Aufmerksamkeit auf deren formale Eigenschaften zu lenken.“ (www.sprachelesen.vobs.at)


Viele Kinder haben bereits im Alter von drei bis vier Jahren die phonologische Bewusstheit entwickelt. Sie hören Reime, können Wörter in Sprechsilben zerlegen (hüpfen, klatschen, ...) und den Anlaut hören ("Ich seh, ich seh, was du nicht siehst, und das beginnt mit F!") Das sind Kinder, die zu Schulbeginn "nahe dran" sind und vereinzelt sogar schon flüssig lesen können. Mit diesen Kindern tun wir uns als Lehrpersonen leicht. Sie machen ihre Fortschritte, "können" einfach, was wir von ihnen wollen.


Anders unsere Sorgenkinder:

  1. Sie merken sich Buchstaben nicht, auch wenn wir sie langsam erarbeiten.

  2. Sie verstehen das Zusammenlauten nicht.

  3. Sie bemühen sich nach einigen Wochen nicht mehr (Ich kann es einfach nicht ...").

  4. Sie bleiben immer weiter "zurück".

Einen Augenblick: Was heißt "zurück"? Hinter wem? Gibt es eine eng gefasste Norm?


gehen lernen - lesen lernen: ein Vergleich


In der Entwicklungspsychologie heißt es so schön: Kinder machen mit etwa 12 Monaten ihre ersten Schritte. Nun gibt es aber Kinder, die bereits mit neun Monaten gehen können (einer meiner Neffen war so ein Kind) - andere wollen mit fünfzehn Monaten die Hand der Erwachsenen noch immer nicht auslassen. Eine Mama sagte mir vor Kurzem: "Mein Kind war erst mit achtzehn Monaten so weit." Und alle diese Varianten sind "in der Norm".


Beim Lesenlernen ist es genau so: Bei Schuleintritt sollen die Kinder lesen lernen, also in einem Alter von sechs bis sieben Jahren. Nun erlernen es manche Kinder aber bereits mit viereinhalb oder fünf Jahren. Sie interessieren sich, stellen Fragen, bekommen darauf Antworten - und plötzlich können sie es, wie von allein, weil eben alles gerade so wunderbar zusammenpasst.


Bei manchen Kindern hat es in der Vorschulzeit nicht so gut gepasst. Diese Kinder sind nun beim Lesenlernen auf uns Lehrpersonen angewiesen. Es wäre so schön, wenn sie das Lesen genau so fröhlich, unbeschwert, begeistert erlernen dürften wie so manches Kind in der Zeit vor Schulbeginn.




Muss das Kind bloß mehr üben?


"Du kannst das noch immer nicht. Du musst viel mehr üben!"


Das hören Kinder in der Schule oft, wenn sie das Buchstabieren nicht begreifen. Viele dieser Kinder haben sehr bemühte Eltern, die bereitwillig mit ihnen "üben" - aber bald verzweifeln, weil bei den Kindern "nichts weitergeht". Was sie nämlich nicht bedenken:


Üben kann man nur, was man schon EIN BISSCHEN verstanden hat.


Ich vergleiche das gern mit dem Sport: Wenn jemand noch nicht einmal weiß, wie man den Tennisschläger hält und wie man ausholt, wenn ihm also die wichtigsten Grundlagen fehlen, kann er unmöglich "üben", mir den Ball gezielt zuzuspielen.


Genau so wenig kann ein Kind, dem die Vorläuferfähigkeiten fehlen, das also überhaupt noch nicht verstanden hat, wie das Aneinanderreihen von Lauten "funktioniert", das Buchstabieren üben.



Lese(haus)übungen - individuell und kindorientiert


Das Ziel im Erstleseunterricht muss sein, dem Kind Lust an der Arbeit zu machen. Das gilt auch für frühlesende Kinder. Ein Kind, das zu Schulbeginn bereits längere Texte oder gar Bücher lesen kann, wird wenig begeistert sein , wenn es als (Haus-)Übung Buchstabierübungen machen soll. Für andere Kinder wird das Buchstabieren zur selben Zeit noch nicht bewältigbar sein. Gerade mit solchen Kindern habe ich jedes Jahr ab Oktober, November zu tun, und es ist unglaublich schwierig, die Lernbereitschaft dieser frustrierten, traurigen Kinder wieder zu wecken ... Nur mit winzigen täglichen Erfolgserlebnissen ist das zu schaffen.


Wir sollten es bei keinem einzigen Kind so weit kommen lassen.


Jedes Kind soll üben dürfen, was es gerade üben muss, um den nächsten Schritt machen zu können:

  • Laute den gelernten Buchstaben zuordnen ("Wie klingt dieser Buchstabe?")

  • Buchstaben den Lauten zuordnen ("gehörte" Laute aufschreiben)

  • gelernte Wörter "auf einen Blick" erfassen (blitzlesen)

  • einsilbige Pseudowörter buchstabieren


  • zweisilbige Pseudwörter buchstabieren (abwechselnd Konsonant/Vokal)


  • dreisilbige Pseudowörter buchstabieren

  • echte Wörter buchstabierend erlesen und auch verstehen (die Zeichnungen dienen als Beweis):


  • längere Texte bzw. Bücher lesen


Fröhliche, lern- und leistungsbereite Schulkinder durch "Passung"


In der Leseforschung (Rosebrock/Nix, 2015, Seite 98) spricht man von "Passung", wenn die Anforderungen dem Vorwissen und den Interessen der Kinder entsprechen.


Kinder lieben Erfolgserlebnisse. Sie strengen sich gern an, wenn sie die Arbeit als bewältigbar ansehen. Bei freiem Zugang zu den Materialien wird jedes Kind nach kurzer Zeit selbstständig das für sich selbst gerade am besten Passende daraus wählen können. Es wird sich auf Dauer weder überfordern noch unterfordern, denn


"zu leicht ist fad - zu schwer schaffe ich nicht - gerade richtig macht mir Freude"



Durch Erfolgserlebnisse und Stolz auf die eigene Arbeit bereits im Erstleseunterricht kann das positive Lese-Selbstkonzept wachsen - und genau das wünschen wir uns für unsere Kinder. Dann sind sie für ihren Weg zur Lesekompetenz gut gerüstet.



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