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SCHULBEGINN – EIN NEUANFANG

Wenn die Kinder nach zwei Monaten Sommerferien zurückkommen, haben sie sich verändert.

Uns fällt zu Schulbeginn immer auf, dass sie größer geworden sind, reifer. Am ersten Tag kommen manche sehr selbstsicher, andere mit ambivalenten Gefühlen in die Klasse.


Auch in ihrem Miteinander ist mitunter Befangenheit zu beobachten. Die Kinder sind oft verunsichert. Sie müssen erst ihre Position wiederfinden. „Werden meine Freunde mich noch mögen?“ schrieb ein Kind einmal als letzte Gedichtzeile zum Thema „Die Schule beginnt wieder“.


DAS MITEINANDER ALS BASIS

Ich habe den Schulbeginn in meiner aktiven Zeit immer als die Zeit des Einander-neu-Findens gesehen. Bevor ich mich so richtig in das neue Schuljahr hineinstürzen konnte, war mir wichtig, dass die Beziehungen zwischen den Kindern und mir und – noch mehr – die Beziehungen der Kinder untereinander wieder gefestigt wurden.


AN ANDEREN INTERESSIERT SEIN

Wenn Kinder nach mehreren Wochen wieder zusammenkommen, sind ihre Gedanken noch bei ihren Ferienerlebnissen. Sie möchten davon erzählen. Sie möchten auch erfahren, wie es anderen ergangen ist. „Was hast du in den Ferien gemacht?“, „Wo warst du?“, „Wen hast du getroffen?“ sind Fragen, mit denen sich die Kinder austauschen. Ihnen dafür Zeit zu geben war mir immer wichtig.


Ich wollte aber noch mehr. Ich wollte, dass die Kinder dieses Aneinander-interessiert-Sein, dieses Bemühen, einander wieder näher zu kommen, auch im Unterricht leben durften. Ja, ich wollte Kinder, die vielleicht von alleine nicht auf die Idee gekommen wären, sogar dazu anleiten.


INTERESSE ANEINANDER ALS TEIL DES UNTERRICHTS

Am besten gelang mir das mit Schreibanlässen, die ich gerne „sozial“ nenne, weil dabei das so wichtige Miteinander ganz besonders zum Tragen kommt. Wir schrieben das ganze Jahr hindurch zu sozialen Schreibanlässen, aber am Schulanfang ganz besonders intensiv, denn da gilt es, die Klassenatmosphäre wieder neu zu gestalten. Je besser die Kinder miteinander auskommen, je näher sie einander kommen, desto leichter ist ja die Arbeit mit ihnen, desto höher ist auch ihre Motivation. Dafür besonders zu Schulbeginn Zeit zu investieren zahlt sich daher aus.


SOZIALE SCHREIBANLÄSSE ZU SCHULBEGINN

Kinder befragen andere gern, um etwas Wichtiges von ihnen herauszufinden. Ein Beispiel:

Wir stimmen die Kinder ein. Dafür benötigen wir nicht mehr als zwei, drei Minuten:

„Die Ferien haben zwei Monate lang gedauert! Da hattest du viel Zeit für Dinge, zu denen du während des Schuljahres nicht leicht kommst. Für jeden und jede von euch sind andere Dinge wichtig. Was hast du in den Ferien besonders genossen, was war dir wichtig? – Ich möchte gern, dass du einigen Kindern in der Klasse diese Frage stellst und dann aufschreibst, was du erfahren hast.“


In einer solchen Deutschstunde kann es nicht ganz leise sein. Es gibt viel regen Austausch, viele Gespräche miteinander – aber alle zur Sache. Das Reden stört daher auch nicht. Anfangs werden wir die Kinder öfter daran erinnern müssen, die Stimme zu senken. Je mehr die Kinder aber an eine solche Schreibstunde gewöhnt sind, je öfter sie im Unterricht miteinander kommunizieren dürfen, desto ruhiger, angenehmer wird die Stimmung dabei sein. (Näheres zum Thema SPRECHEN IM DEUTSCHUNTERRICHT in einem anderen Blog)


Fragen, die Kinder einander zu Schulbeginn stellen könnten:


„Was hast du in den Ferien sehr gerne gemacht?“

Sylvia hat oft draußen gespielt.

Dani ist am Abend immer lange aufgeblieben.


„Was war für dich in den Ferien besonders aufregend?“

Maxi hat eine Schlange gesehen.

Milva war am Meer.


„Was war das Angenehmste für dich in deinen Sommerferien?“

Tamira sagt: „Ich musste nicht lernen!“

Marvin sagt: „Ich durfte jeden Tag lang schlafen!“


„Was möchtest du in der Schule wieder machen?“

Linda möchte endlich wieder turnen gehen.

Jonas will wieder Gedichte schreiben.


„Was ist dein Lieblingsgegenstand?“

So: Basti hat am liebsten Mathematik.

… oder so: Julias Lieblingsgegenstand ist Werken.


Es ist von den Kindern in der Klasse abhängig, ob die Frage- und Antwortformate davor eventuell eingeübt werden müssen. Das wird jede Lehrperson für sich entscheiden. Keinesfalls aber sollten Beispiele für Antworten vorgegeben werden! Das würde bedeuten, dass die Texte nicht mehr authentisch wären und wir anschließend in allen Heften dasselbe zu lesen bekämen.


Ich appelliere übrigens dafür, den Kindern beim Texteschreiben keine Satz- oder Zeilenanzahl vorzugeben. Nehmen wir uns stattdessen die Zeit, über die Begeisterung der Kinder bei der Arbeit, über ihre Bereitschaft zur Anstrengung bei solchen lustbetonten Aktivitäten zu staunen.


Bei diesem kommunikativen Schreiben nehmen die Kinder ihre Kontakte wieder auf. Sie gehen achtsam miteinander um. Sie nehmen Verschiedenheiten wahr, lernen Andersdenkende wertzuschätzen und üben Einfühlungsvermögen. So kommen sie einander wieder näher und fühlen sich miteinander wohl.


Wie an den beispielhaften Antworten zu erkennen ist, kann beim Aufschreiben des Gehörten immer wieder auch Wichtiges zu Rechtschreibung und Grammatik geübt werden. Das Einander-Befragen ist aber so lustbetont und kurzweilig, dass kein Kind diese Arbeit als bloße „Rechtschreibübung“ ansehen wird. (Näheres zum RECHTSCHREIBEN bei einem der nächsten Male)


„HEFTE VERBESSERN“

Alle Verschriftungen unserer Schulkinder sollen wir uns ansehen. Normalerweise gehört das Durchschauen der Hefte nicht zu unseren liebsten Arbeiten. Bei solchen Themen ist das anders. Wir erfahren dabei so viel über die Kinder! Das macht das „Hefteverbessern“ zu einer spannenden, kurzweiligen Angelegenheit. (Mehr dazu ein anderes Mal)


Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wiedersehen mit Ihren Schulkindern. Kolleginnen und Kollegen, die mit einer Ersten beginnen, wünsche ich das Allerbeste für ihren spannenden Neuanfang. Alles Gute, bis zum nächsten Mal!


Marlene Walter



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